Die Stadtverwaltung beabsichtigt laut Prioritätenliste Straßenbau, die dem Bauausschuss vorgelegt wurde, drei einwandfrei funktionierende Ampeln in Gewerbegebieten am Stadtrand zu ersetzen und dafür 250.000 Euro auszugeben. Autos müssen bei verkehrsabhängig gesteuerten Ampeln durchschnittlich etwa 5 Sekunden weniger an roten Ampeln warten, daher sollen die drei Ampeln nun lange vor Ende ihrer Lebensdauer gegen neue ausgetauscht werden. Die USE-Ratsgruppe und Francisco Welter-Schultes (BfnS) halten die Ausgabe angesichts der dramatischen Haushaltslage und der Argumentation der Verwaltungsspitze im Vorfeld des Radentscheids für völlig übertrieben und beantragen zur Bauausschuss-Sitzung am 19.09.2024, einen Beschluss zu fassen, die Ampeln nicht zu erneuern.
Im zweiten Teil des Antrags wird die Verwaltung aufgefordert, die kryptischen Bezeichnungen, die die Stadt in Ratsvorlagen für die Kreuzungen verwendet, offenzulegen. Denn in der Prioritätenliste im öffentlichen Teil wird in Zeile 008 nur geschrieben “LSA Modernisierung K29/K80/K109” - K steht hierbei für “Knoten” (amtsdeutsch für Kreuzung), doch weder Abgeordnete noch Öffentlichkeit können wissen, welche Kreuzungen gemeint sind. 2015 hatte die Verwaltung sich geweigert, die K-Nummern offenzulegen.
Im Bauausschuss am 22.08.2024 wurde die geplante Ausgabe mündlich erläutert. Es handelt sich um die Ampeln an der Benzstraße in Geismar, am Lutteranger in Weende und am Anna-Vandenhoeck-Ring im Groner Gewerbegebiet Siekhöhe. Diese Ampeln schalten alle drei normgerecht und einwandfrei. Ihre Gemeinsamkeit: sie schalten auf herkömmliche Weise genau so, wie noch vor wenigen Jahren alle Ampeln in deutschen Städten jahrzehntelang geschalten haben: in einem festen Turnus, der sich in der Regel alle 69 Sekunden wiederholt. Moderne Ampeln hingegen erfassen die Autos mit Kameras und schalten für die Nebenstraße nur dann Grün, wenn ein Auto kommt (verkehrsabhängige Schaltung). Dies hat den Effekt, dass Autoverkehr schneller und flüssiger durch die Stadt kommt.
Die Zeitersparnisse für den Autoverkehr sind zwar durchaus messbar (siehe Berechnungen im Anhang) und summieren sich bei vielen Kreuzungen in einer Großstadt, liegen an jeder einzelnen Kreuzung allerdings nur im niedrigen Sekundenbereich. Bei einer herkömmlichen Ampel warten Autos an der Durchgangsstraße durchschnittlich 8 Sekunden bei Rot, an einer Nebenstraße 18 Sekunden. Die durchschnittliche Einsparung bei einer modernen Ampel beträgt je nach Verkehrsaufkommen an den Hauptstraßen bis zu 5 Sekunden, an Nebenstraßen bis zu 8 Sekunden. Zum Vergleich: An Ampeln wie am Weender Tor wird dem Fußverkehr ohne weiteres zugemutet, bis zu 83 Sekunden auf Grün zu warten (Durchschnitt 47 Sekunden). Auch an den sogenannten Bettelampeln warten viele Fußgänger*innen weit über eine Minute - oder missachten das Rotlicht.
Im Bauausschuss begründete die Verwaltung die 250.000 Euro teure Maßnahme damit, dass moderne Ampeln LED-Lampen haben und weniger Energie verbrauchen. Als Grund für die Investition erscheint das wenig plausibel. Die Stadt selbst begründet immer wieder ihre Ablehnung nächtlicher Ampelabschaltungen damit, dass die Ausgaben für die Programmierung in Höhe von etwa 5-10.000 Euro in keinem Verhältnis zur Einsparung stehen würden. Diese Argumention erscheint schlüssig. Die Stromkosten betragen pro Kreuzung im Schnitt je nach Anzahl der Einzelsignale 1000 Euro im Jahr (130.000 Euro für alle Ampeln und Parkscheinautomaten - Quelle: Energiebericht Seite 8, Umweltausschuss 28.09.2021). Die drei betroffenen Ampeln haben keine Mittelinseln und wenig Einzelsignale, die Investition von 250.000 Euro wäre erst nach über 100 Jahren amortisiert. Die Lebensdauer solcher Ampeln beträgt etwa 30-50 Jahre, die Ausgabe wäre somit unwirtschaftlich.
Unter dem Strich bleiben 5 Sekunden Zeitersparnis als Hauptmotiv für die Modernisierung.
Ratsmitglied Francisco Welter-Schultes (BfnS) hierzu: “Abgesehen davon, dass Autoverkehrsförderung nicht zu den Zielen der Stadt zählt und im Bürgerentscheid stattdessen beschlossen wurde, die umstrittenen Bettelampeln abzuschaffen, halte ich eine Ausgabe von 250.000 Euro für 5 Sekunden Zeitersparnis an drei Ampeln am Stadtrand für völlig übertrieben. Das unwirtschaftliche Ersetzen dieser Ampeln lange vor Ende ihrer Lebensdauer wäre ein unverantwortlicher Umgang mit den knappen städtischen Haushaltsmitteln angesichts der finanziellen Krise, auf die die Stadt zusteuert. Ich halte es zudem für eine Missachtung des Bürgerentscheides und damit der städtischen Beschlusslage - denn die Stadt hat gleichzeitig vor, alle Bettelampeln wie bisher weiterlaufen zu lassen und den Fußverkehr mit dieser Politik gegenüber dem Auto zunehmend zu benachteiligen.”
Das Ausprogrammieren der erst kürzlich eingeführten und von Anfang an kritisierten Bettelampeln wäre pro Kreuzung deutlich billiger, da es sich um moderne Ampeln handelt, deren Schaltzyklen kostengünstig geändert werden können. Neben den 250.000 Euro müsste auch städtisches Personal für die Umstellung der drei zu ersetzenden Ampeln eingesetzt werden - Personal, das für die Umprogrammierung der Bettelampeln dann nicht zur Verfügung steht.