„Hört doch einfach mal auf, große Reden zu schwingen, und tut endlich etwas!“ – dieser Gedanke geht mir bei internationalen Klimakonferenzen immer wieder durch den Kopf. Ich bin Katarina, und ich engagiere mich seit sechs Jahren beim BUND Göttingen.
Heute stehe ich selbst hier und schwinge eine Rede – denn ganz ohne Worte geht es dann doch nicht. Sprache formt unsere Realität und deswegen sollten wir uns regelmäßig daran erinnern, dass jeder und jede Einzelne hier und heute auf dieser Demo, auf dem Parking Day, bei der Kiddical Mass und bei allen anderen Aktionen der letzten Jahre einen wichtigen Beitrag leistet, dass wir gehört werden.
Wir alle zeigen Flagge, im wahrsten Sinne des Wortes, für den Klimaschutz. Für eine lebenswerte Zukunft, für den Erhalt unserer so wertvollen Erde und dafür, dass das Warten und Zögern ein Ende haben muss.
Die Flutkatastrophen in verschiedenen Ländern Europas führen uns erneut vor Augen, dass Klimakrise nicht nur Hitze und Dürre bedeutet – sie kann auch das Gegenteil bedeuten, wenn Wassermassen als Regen fallen und ganze Landstriche überschwemmen. Welche Möglichkeiten haben verantwortliche Politiker*innen nun, auf diese Ereignisse zu reagieren? Ob Elbe, Donau oder Grone und Leine – Hochwasserschutz ist Klimaschutz und egal in welcher Größenordnung:
Politiker*innen sind in der Pflicht, Maßnahmen für künftigen Hochwasserschutz umzusetzen. Angefangen bei der Entsieglung von Flächen, damit Wasser versickern kann, bis hin zu verstärktem Deichbau. All diese Maßnahmen haben eine grundlegende Gemeinsamkeit: Sie beginnen vor Ort, lokal und an konkreten Stellen.
In einem Interview mit Jens Becker vom Max-Planck-Institut für Gesellschaftsforschung erklärt dieser, warum so viele, wie auch ich, von den großen COPs und anderen internationalen Konferenzen frustriert sind: Sie sind zu weit weg, zu abgehoben und zu wenig konkret, als dass sie die Notwendigkeit deutlich machen können, mit der Klimaschutz betrieben werden muss. Und mit dieser Antwort komme ich wieder zurück zu heute und zu dem, was nach dieser Demo folgen sollte: Klimaschutz und Klimaanpassung direkt bei uns, hier in Göttingen, vor unserer Haustür.
Wir müssen mit allem, was wir tun, auf lokaler Ebene ansetzen. Menschen begreifen den Mehrwert von Klimaschutz und Klimaanpassungen an dem Punkt, an dem die Maßnahmen Vorteile für sie bringen.
Das beginnt bei kleinen Sachen wie dem Aufhübschen einer Fläche durch Blühwiesen oder der Verkehrsberuhigung einer Wohnstraße durch Poller. Es geht weiter über größere Maßnahmen wie großflächiger Entsieglung oder einem Windrad auf Gemeindegrund, von dessen Einnahmen die gesamte Gemeinde profitiert.
Erleben Menschen die Vorteile und eine lokale Effektivität von Klimaschutz, sind sie auch weniger abgeneigt, große Veränderungen mitzutragen.
Erfolge und die Appelle für mehr Klimaschutz müssen lokal passieren, müssen in unserer Lebensrealität ankommen und mit dem arbeiten, was wir alle jeden Tag sehen.
Appelle von großen internationalen Klimakonferenzen haben nur Symbolwirkungen – erstens folgt fast nie eine gezielte und konsequente Umsetzung der Beschlüsse und zweitens ist die COP so weit weg von unserem Alltag, von unserer individuellen Lebensrealität, dass sie unsere Entscheidungen im lokalpolitischen und persönliche Handeln oft wenig beeinflussen.
Deswegen ist eine lokale starke Klimapolitik, ist eine lokale starke Klimabewegung unheimlich entscheidend dafür, dass wir nicht bei 4 Grad oder bei 5 Grad Celsius mehr am Ende des Jahrhunderts stehen, sondern vielleicht nur bei 2 Grad, vielleicht nur bei 1,7 Grad.
Wir alle müssen uns jeden Tag dafür einsetzen, jedes weitere Zehntelgrad zu verhindern. Die Pariser Klimaziele sind Geschichte, das haben wissenschaftliche Erkenntnisse der letzten Jahre immer wieder gezeigt – aber sollten wir deswegen aufgeben, den Kopf in den Sand stecken und gar nichts mehr tun?
Wir dürfen nicht versagen und meinen „jetzt können wir eh nix mehr retten“ - wir können immer etwas retten! Wir können immer dafür sorgen, dass die Politik ihre Pflicht aus dem Grundgesetz einhält, unsere Lebensgrundlagen zu schützen. Wir können uns immer dafür einsetzen, dass sich insgesamt auch unsere Lebensqualität verbessert - durch Stadtbegründung, durch erneuerbare Energien, durch weniger Verbrennermotoren.
Wir als Klimabewegung können Druck auf die Stadtpolitik ausüben, dass Klimaschutz zur Priorität Nummer 1 erklärt und umgesetzt wird. Wir können Druck ausüben, dass mehr Solar- und Windenergie genutzt wird, dass klimaschonende Mobilitätsstrukturen ausgebaut werden, bevorzugt mit Fahrradstraßen und starkem ÖPNV. Wir können uns immer dafür einsetzen, dass Baumaßnahmen immer auch Klimaschutzmaßnahmen sind – die Möglichkeiten, anzufangen, sind vielfältig und unweigerlich notwendig. Aber jeder Schritt zählt, und wenn viele Menschen jeden Tag einen Schritt gehen, entsteht eine riesige Bewegung!
Deswegen lasst uns gemeinsam jeden Tag aufs Neue hier anfangen – in unserer Region, unserer Stadt, unserer Straße und unserem Hinterhof. Wir sind eine starke Klimabewegung für Göttingen und wir alle können gemeinsam Großes bewirken.
In diesem Sinne: Danke, dass ihr alle heute hier seid und danke für eure Aufmerksamkeit!
Katarina Fiedler,BUND