Realitätsverweigerung im Bundestagswahlkampf

FFF zur Selbstgerechtigkeit der Parteien in der Klimakrise

Geposted von " GöKB " am 09.01.2025

Inhalt

Realitätsverweigerung im Bundestagswahlkampf

Die Bundestagswahl steht in wenigen Wochen an und die Parteiprogramme der allermeisten Parteien liegen vor. Diese Wahl wird wegweisend sein, in vielerlei Hinsicht. Die Weltlage hat sich dramatisch verändert im Laufe der letzten Legislaturperiode, in der sich auch gezeigt hat, dass die bisherigen Konzepte verantwortlicher Politik neu justiert werden müssen. Zeitenwende eben. Dass in einer solchen Phase eine gewisse Verwirrung die Diskussion bestimmt und auch die alten Konzepte immer wieder als einzige Lösung genannt werden, ist wohl normal.

Dass aber bei fast allen Parteien, und insbesondere bei allen großen, die Krise, die praktisch täglich mit neuen erschreckenden Katastrophen, auch in Deutschland, in den Nachrichten erscheint, ausgeblendet oder bezüglich der notwendigen Veränderungen nicht hinreichend ernstgenommen wird, ist zutiefst verstörend.

Diese Bundestagswahl wird entscheidend sein für die Zukunft der Klimapolitik nach einem Jahr voller Klimakatastrophen und dem erstmaligen Reißen der 1,5-Grad-Grenze bei der Erderwärmung. Fridays for Future hatte am 9.1.2025 eingeladen zur ersten Pressekonferenz des Jahres 2025, um die entscheidenden Fragen zu diskutieren:

Im folgenden dokumentieren wir das Statement von Carla Reemtsma (FFF) auf der Pressekonferenz zur klimapolitischen Lage und zur Antwort der großen Parteien darauf und einige weitere zuspitzende Aussagen von Luisa Neubauer (ebenfalls FFF) dazu.

Luisa Neubauer fasst das anschliessende Statement von Carla Reemtsma wie folgt zusammen:

Vielen Dank an Carla, die noch einmal sehr gut und deutlich gemacht hat, dass man uns seit vier, fünf, sechs Jahren mittlerweile verspricht, wenn die Krise einmal da ist, würde man handeln. Die Krise ist da und unübersehbar, und das Gegenteil passiert. Nicht nur Stillstand, sondern Rückabwicklung. Das ist die Realitätsverweigerung, die wir als Fridays for Future nicht hinnehmen werden.

Carla Reemtsma hatte zuvor die aktuellen Auswirkungen der Klimakrise beschrieben, ihre Auswirkungen auf die Menschen und die Natur, und die Realitätsverweigerung gegenüber den daraus folgenden Massnahmen, die sich aus den Parteiprogrammen der drei entscheidenden Parteien ablesen lässt.

2024, das war das heißeste Jahr seit Begin der Wetteraufzeichnungen. Die Temperaturrekorde in den vergangenen Monaten und Jahren überschlagen sich wieder und wieder - und was wir uns an der Stelle einmal alle bewusst machen sollten - oder eigentlich auch wissen - ist, das sind längst nicht mehr nur Zahlen in den Nachrichten.

Diese eskalierende Klimakrise, das heißt auch immer: mehr Waldbrände, mehr Überschwemmungen, und mehr Hitzetage. Und hinter all diesen Klimakatastrophen, stehen Menschen - Menschen, deren Existenzen zerstört werden, deren Ernte verbrennen, die von immer heftigerer Hitze getötet werden.

Seit einigen Tagen brennt es in Kalifonien. Sie haben wahrscheinlich alle schon die Bilder gesehen. Mehr als 150.000 Menschen haben aufgrund der Feuer ihre Häuser verlassen, Hollywood-Premieren werden abgesagt, das Löschwassr gibt es nicht mehr. Die Bilder, die sind apokalyptisch.

Und alles das ist nur der Anfang. In Europa gab es im vergangenen Jahren vier Jahrhundertfluten. Die Klimakrise hat die Kategorie Jahrhundertflut einfach weggewischt, weil die ökologische Realität schneller eskaliert, als wir hinterherkommen.

In Valencia sind im Oktber mehr als zweihundert Menschen in den Fluten gestorben, die Autos, sie haben sich in den Strassen gestapelt, und noch immer laufen die Aufräumarbeiten. Es werden Menschen vermisst, Menchen, die alles verloren haben, stehen für Lebensmittel Schlange. Allein aufgrund der extremem Hitze sind in Europa mehr als 45.000 Menschen aufgrund der extremen Temperaturen gestorben. Altere, Kinder, Menschen, die im freiene arbeiten, sie alle sind schon heute ganz konkret bedroht von der Klimakrise.

Das Klima im Bundestagswahlkampf

Und mitten in diese Zeit, in die heißeste Zeit, die die Menschheit je erlebt hat, fällt jetzt also dieser Bundestagswahlkampf. Die Wahlprogramme, die Plakate, die Reden - alles das steht, wir haben es gesehen bei wieder- und wiederkehrenden Präsentationen, in den sozialen Netzwerken, bei Parteiveranstaltungen. Und beim Blick in genau diese Parteiprogramme bekommt man allerdings den Eindruck, dass die Parteien in einer gänzlich anderen Realität leben würden.

Die SPD versucht ihre Version von sozialdemokratischem Klimaschutz zu präsentieren. Sie vergisst dabei allerdings, dass Klimaschutz vor allem bedeutet, Emissionen zu reduzieren. In ihrem Programm voller Business as usual vergisst die SPD, dass Klimaschutz nur mit einem Ausstieg aus fossilen Energien funktioniert. Das Ende für Kohle, Öl und Gas findet keinerlei Erwähnung im SPD-Wahlprogramm. Stattdessen hat Buneskanzler Olaf Scholz in den vergangenen Jahren vor allem wieder und wieder fossile Projekte vorangetrieben, seien es nun Erdgasterminals in der Nord- und Ostsee, neue Ölpipelines aus Kasachstan, oder Gasbohrungen vor Senegal oder Nigeria.

Und die Union: die Union will zurück zu noch mehr Klimazerstörung. Sie verweigert sich jeglicher klimapolitischer Verantwortung. Mit ihrer Absage an das Verbrenner-Aus, dem Gebäudeenergiegesetz und dem Kohleausstieg erleben wir einen Rückschritt auf ganzer Linie. Und das sind nicht nur klimapolitische Maßnahmen, das sollten wir uns an dieser Stelle festmachen. Das alles sind Entscheidungen, die genau zu solchen Bildern führen.

Diese Bilder existieren nicht einfach so, sie sind kein tragischer Zufall, sie sind das Ergebnis von einer Politik, die wieder und wieder Menschenleben hinten anstellt, weil es um die Profite von fossilen Konzeren geht, und weil es aus Wahlkampftaktik einem anscheinend passabler erscheint, Klimaschutz hinten anzustellen und nur dann einmal nett aufzukreuzen, wenn die Fluten einmal ganz konkret vor der eigenen Haustür sind.

Die CDU versucht also noch nicht einmal, bezahlbaren und zukunftsmäßigen Klimaschutz zu ermöglichen. Sie treibt gleichzeitig mit ihren Streichungen von Förderprogrammen und populistischen Versprechen von angeblichem grünen Öl die Menschen in fossile Kostenfallen, macht sie weiterhin abhängig von Kohle, Öl und Gas, die gleichzeitig mit den anderen Teilen ihres Wahlprogrammes, dem Fokus auf den CO2-Preis, immer teurer werden. Das Klimaprogramm der CDU ist einer Erfolgspartei unwürdig.

Und die Grünen, die größte ökologische Partei der Welt, sie geben sich als Klimavorreiter und hinter guten ersten Schritten drohen sie allerdings Klima aus vemeintlichen Wahlkampf- oder Koalitionsstrategie hinten runter fallen zu lassen. Sie versuchen den Eindruck zu erwecken, dass Wohlfühl-Klimaschutz und ein ökologisches Weiter-So ohne substanzielle Veränderungen und politische Maßnahmen ausreichen würde.

Die Grünen sind bei den Klimazielen zwar am klarsten, ihre vergleichsweise ambitionierten Pläne sind wichtig. Sie wären allerdings deutlich glaubwürdiger, wenn sie nicht vom eigenen Kanzlerkandidaten in Zweifel gezogen würden, wie er es beipielsweise beim Kohleausstieg 2030 gemacht hat. Statt den fossilen Projekten eine klare Absage zu erteilen, erleben wir auch hier wieder und wieder den Eindruck eines Kuschelkurses mit der Gaslobby.

Diese Programme also, sie markieren - wie gesagt im heißesten Jahr und der heißesten Zeit seit Beginn der Wetteraufzeichnungen - den Auftakt für einen Wahlkampf, und alle diese Programme, sie müssten die Klimakrise ernst nehmen. Jede Partei, die Verantwortung übernehmen will, muss einen Plan präsentieren, wie sie die schlimmste Krise der Menschheit angehen will, wie sie Menschen schützen möchte.

Diese aktuellen Programme hingegen, sie sind klimapolitische Realitätsverweigerung. Schon 2021 haben wir, wie erwähnt, vor der Bundestagswahl protestiert. Nach mehreren Hitzesommern, nach der Flutkatastrophe im Ahrtal, hätte man damals meinen können, dass alle Parteien ihre Verantwortung ernst nehmen würden und es verstanden hätten.

Der Kohleaustieg, das Verbrenner-Aus, der Stop verschiedenster fossiler Projekte, die klimapolitischen Errungenschaften, die es in den vergangenen Jahren zweifelsohne gab, zeigen: Protest wirkt. Und die Fortschritte die wir erlebt haben, zeigen auch: Klimapolitik wirkt. Die Massnahmen der vergangenen Jahre haben die EU-Politik von einem 4°-Pfad auf knapp über 2° verbessert. Ähnliche Fortschritte konnten wir auch in Deutschland und anderen Ländern sehen. Das reicht zwar noch nicht, aber es zeigt, es kann nach vorne gehen.

Stattdessen Verantwortungsverfall

Doch statt auf diesem Erbe aufzubauen, erleben wir einen klimapolitischen Verantwortungsverfall. Es droht eine Rückabwicklung von Klimapolitik in einem nie dagewesen Ausmass. Es entsteht der Eindruck, je mehr die Klimakrise eskaliert, desto mehr eskaliert auch der Gegenwind gegen diejenigen, die etwas gegen die Klimakrise unternehmen wollen und gegen die Massnahmen, die das Schlimmste verhindern könnten.

Das Problem, all diese Klimeextreme, die Unwetter und die Hitzesommer, die Überschwemmungen, sie sind nicht das Ergebnis von einem politischen Vakuum, sie entstehen nicht einfach so, sie sind das Ergebnis einer fossilen Politik. Sie haben Ursache und Verantwortliche.

Politiker*innen, denen die Profite von fossilen Konzernen wichtiger sind als Menschen und ihre Lebensgrundlage. Und das ist der eigentliche Skandal, vor dem wir in diesem Bundestagswahlkampf stehen. Niemand, der Kanzler werden will, darf so verantwortungslos handeln und Menschen gefährden.

Wir, wir haben ein Recht auf Zukunft, und auf eine lebenswerte Zukunft. wir haben das Recht auf eine Zukunft ohne eine immer weiter eskalierende Klimakrise, ohne unbezahlbare fossile Energien, mit einer Perspektive für bezahlbaren Klimaschutz, und Lebensgrundlagen, die es wert sind.

Deswegen: wir lassen uns nicht verarschen von Politier*innen, die uns erzählen wollen: Klimaschutz sei egal. Klimaschutz, das muss ein zentrales Thema in diesem Wahlkampf sein, und Aufgabe einer jeden Regierung danach, unabhängig von ihrer Zusammensetzung. Alles andere wäre Realitätsverweigerung und völlig unangemessen.

Es braucht vielmahr gerade jetzt konkrete und mutige Maßnahmen, die Klimaschutz ausreichend und bezahlbar umsetzen, denn wir wissen längst, dass das möglich ist. Es droht nur an der Verweigerungshaltung einiger zu scheitern.

Genau dafür sind wir heute hier und in den kommenden Wochen und Monaten überall auf den Strassen. Wir zeigen, wie Klimaschutz bezahlbar funktionieren kann, und kämpfen für unser Recht auf Zukunf. Wir zeigen auf, was ein Rahmen für Klimapolitik ist, die alle zu übernehmen hätten. Danke

Uns fliegt sonst hier alles um die Ohren

In der Fragestunde im Anschluss geht Luise Neubaurer noch einmal auf die Veränderung der politischen Stimmung im Laufe der letzten sechs Jahre ein.

Es ist eine Art Stunde der Wahrheit, in der wir gerade sind, weil wir gesehen haben, wie selbstgerecht, und teilweise verlogen in den letzten sechs Jahren so’n bisschen Klima gemacht wurde, weil es irgendwie gerade gepasst hat, die aber in der Sekunde, in der man sich dafür hätte hinstellen müssen und etwas wagen müssen, zurück gezogen wurde.

Niemand von uns würde heute noch im Traum erwarten, dass Markus Söder einen Baum umarmt. Aber auch da waren wir mal. Das vergisst man, aber das waren Realitäten, die wir in dieser Demokratie erleben mussten. …

Das heißt, es gibt hier natürlich eine Art neue Trennung von Leuten, die meinen, man kann irgendwie mit fossiler Zerstörung weitermachen, wie bisher und ab und zu noch irgendwie ein bisschen Öko irgendwo draufschreiben. Und auf der anderen Seite von Leuten, die sagen, uns fliegt hier alles um die Ohren, was wir uns erträumen und aufgebaut haben, wenn wir hier nicht klarkommen, wenn wir hier nicht die Emissionen runterkriegen, wenn wir nicht eine echte und bezahlbare Transformation einleiten.

Forderungen von FFF

Es braucht endlich ehrliche Klimapolitik, die auf wissenschaftlichen Fakten basiert und alle Menschen mitnimmt. Deshalb fordern wir vor der Bundestagswahl 2025:

  • Jährlich 300.000 neue Jobs für die Klimawende
  • Klimaneutralität bis 2035
  • Gasausstieg bis 2035 mit klarem Plan
  • Besteuerung von Superreichen und fossilen Konzernen
  • Eine Mobilitäts- und Wärmegarantie für alle
  • Ein Fond für Klimaanpassung und Katastrophenhilfe

Zur ausführlichen Darstellung der Forderungen für 2025   von Fridays for Future.

Zur Aufzeichnung der vollständigen Pressekonferenz   .