Inhalt
Die politische Debatte ist seit mehr als einem Jahr bestimmt von kollektiver Realitätsverweigerung
- Heizungsgesetz im Juni23: viele Tote durch Starkregen und Hitze, gleichzeitig werden notwendige Maßnahmen dagegen mit falschen und populistischen Behauptungen torpediert.
- Klimakrise im Juli23: auch während die Wälder Süden Europs oder im Norden Amerikas abfackeln, weigert sich die Regierung, die nötigen Schritte zu gehen.
- Kriminalisierung im August23: und nachdem in Niederbayern ein Dorf vom Hagel zertrümmert und die soziale, wirtschaftliche und politische Infrastruktur in den Wassermassen ertrinkt, werden in der bayrischen Hauptstadt Menschen, die auf die politische Verantwortung dafür hinweisen, ohne gerichtliches Verfahren für Wochen weggesperrt.
- Migration in USA im März24: Die Demokraten und Republikaner hatten sich auf Gelder für die Ukraine und das Grenz-Bollwerk im Süden des Landes geeinigt. Trump hat der Partei verboten, dafür zu stimmen, weil damit die Angst vor Migration für den Wahlkampf abgeräumt gewesen wäre. Die Rechten wollen Probleme nicht lösen, sie wollen nur maximale Konfrontation.
- Klimaschutzgesetz im April24: Nachdem über sechzig Verfassungsrechtler unter dem Eindruck immer mehr klimabedingte Katastrophen weltweit die konkrete Umsetzung der verfassungs- und völkerrechtlichen Klimaschutzpflichten dringend anmahnen, werden dem Klimaschutzgesetz mit der Aufhebung der Ressortbindung die letzten Zähne gezogen. Gleich danach saufen in Deutschland die Städte im Starkregen ab.
- Ebenfalls im April26 beim Radentscheid in Göttingen: Lügen und Panikmache durch SPD und CDU, nur um ihre Auto-zentrierte Weltsicht zu stützen.
- Antisemitismus im September24: beim Polit-Volksfest Gillamoos zelebriert Aiwanger allen Ernstes seinen Antisemitismus als Widerstand gegen seine „Vernichtung“ durch politischen Gegner. Friedrich Merz erwähnt im Nachbarzelt Aiwangers Fehler im Umgang mit seiner Vergangenheit mit keinem Wort. Wen Merz in Bayern stattdessen attackierte: seinen „Hauptfeind“, die Grünen, in minutenlangem Gezeter. Mit rechten Stimmen wird angestoßen, auf ökologische Stimmen prügelt man ein. 100 Kilometer südlich vom Gillamooser Bierzelt. Gleichzeitig sitzen 27 Mitglieder der Letzten Generation wochenlang in bayerischer Präventivhaft.
- November24: Für den Wahlkampf gibt es die Verabredung, vorab dafür zu sorgen, dass bei keiner Abstimmung die Stimmen der Rechtsradikalen gebraucht wird. Beim Thema Migration vom Rechtpopulismus getrieben wurde diese Brandmauer in dieser Woche von der CDU eingerissen. Das Thema Klima hingegen spielt kaum noch eine Rolle im Wahlkampf.
Die Realität ist immer komplex und derzeit zudem auch bedrohlich. Realitätsverweigerung hingegen ist ein wesentliches Merkmal und wichtigstes Instrument des Populismus. Daher ist eine freie und selbstbestimmte Demokratie, in der die Realität wahr- und ernstgenommen wird, für die Rechten eine Gefahr. Dies gilt ganz allgemein, aber in der ökologische Krise ganz besonders, denn sie anzuerkennen, hieße
- wissenschaftliche Prognosen ernst zu nehmen,
- globale Abhängigkeiten anzuerkennen,
- zu akzeptieren, dass man globale Verantwortung übernimmt,
- für andere und für die eigene Vergangenheit, auch auf lokaler Ebene.
Die Rechte hat darauf keine Antworten, denn sie glaubt,
- dass sich im freien Spiel der Kräfte das Stärkere zur hast: sowohl in der Gesellsc3haft, wie in der Wirtschaft, wie auch in den internationalen Beziehungen
- und sie glaubt, dass die Schwächeren unrecht haben und minderwertig sind.
- Auf dieser Grundlage appelliert sie an die Menschen, sich nicht zum Opfer machen zu lassen durch die Herrschenden.
- Im nationalistischen Weltbild der Rechten darf es keine globalen Abhängigkeiten oder Verantwortung für andere oder die eigene Vergangenheit geben.
- Und es kann auch keine Wissenschaft geben, die nicht dem Stärkeren oder der eigenen Weltanschauung dient.
Wir haben in unseren Diskursen immer wieder gemerkt, dass das Unverständnis für unsere Argumente umso größer wurde, je weiter die Weltanschauung der Menschen konservativ bis rechts war. Aber wir waren dabei immer der Meinung, dass wir mit Argumenten überzeugen können. Wir werden auch in Zukunft immer weiter versuchen, mit Argumenten zu überzeugen. Aber wir müssen zunehmend begreifen, dass es dafür Grenzen gibt, wenn die Ideologie zur Realitätsverweigerung führt. Und dies geschieht derzeit leider sogar bis weit in den Konservativismus hinein.
Es ist offensichtlich, dass eine derartige Weltanschaung letztlich aus sich selbst heraus ins Verderben stürzt. Aber das geschieht leider nicht sofort und nicht für die Rechten allein, sondern es werden, wie im letzten Jahrhundert, ganze Kontinente mit ins Verderben gestürzt. Derzeit droht das Verderben, auf das wir zusteuern, einen globalen Massstab zu erreichen.
Unsere Aufgabe der Zukunft wird es daher sein, diejenigen konservativen Menschen zu erreichen, die globale Abhängigkeiten und Verantwortungen anerkennen und die Freiheit der Wissenschaft und der Presse verteidigen. Aber es wird auch unsere Aufgabe sein, diejenigen in ihre Schranken zu verweisen, die sich gegen diese Werte der Demokratie stellen. Wenn sich das rechte Gedankengut weiter in unsere Gesellschaft frisst, werden wir die Klimakrise nicht verhindern können.
Aber ich möchte hier auch noch ein Wort zu den Kommunikationskanälen sagen, über die diese ganze Desinformation abgewickelt wird. Die wirkmächtigsten sind nun vollkommen in der Hand der extremen Rechte. Das haben Musk, Zuckerberg und Bezoz in der letzten Woche eindeutig klargemacht. Die Algorithmen werden dort auf Fakten keine Rücksicht mehr nehmen. Wir brauchen dringend Gegenöffentlichkeit, aber wir sind in diesem Bereich noch viel zu naiv. Sprecht euch mit euren Freund*innen und Familienmitgliedern ab, die Skandalisierungen und den Datenklau von X, Whatsapp, Instagram und TikTok zu verlassen. Verabredet euch auf alternativen Plattformen. Davon gibt es mittlerweile etliche, die die gleichen Zwecke erfüllen, sichere Datenhaltung betreiben und wo euch nicht die Algorithmen mit Dreck zuschmeissen. Je mehr wechseln, desto schneller erobern wir uns unsere Diskussionshoheit zurück.
Vielen Dank