Göttingen hat keinen Bock auf rechtspopulistische Protestfeste

Demokratischer Protest gegen das rechte 'Herbsterwachen'

Geposted von " Göttinger Bündnis gegen Rechts " am Saturday, September 2, 2023

Veranstaltung: 16. September 2023, 11:30 Uhr, Berliner Strasse

Göttingen hat keinen Bock auf rechtspopulistische Protestfeste

Das Göttinger Bündnis gegen Rechts stellt sich gegen das verschwörungsideologische “Herbsterwachen” am 16. September in Göttingen - den zweiten Aufmarsch der Querdenker in diesem Jahr.

Wir stellen Fakten gegen Desinformation. Auf dieser Website haben wir Informationen zum rechten Demo-Aufruf für den 16. September 2023 in Göttingen sowie einen Rückblick auf die Veranstaltung vom 1. April zusammengestellt.

Am 16.09. findet in Göttingen eine Neuauflage rechter Krachmacherei statt - Dies wollen wir mit vielen Gegendemonstrant*innen aus der ganzen Zivilgesellschaft kraftvoll beantworten.

Hintergründe zum ersten Aufmarsch im Frühling, zur zweiten Querdenker-Demo im Herbst, zu den Veranstalter*innen und den problematischen Kontexten der vermeintlichen “Friedensdemonstration” finden Sie unten.

Lasst uns am 16.09.2023 ab 11.30 Uhr auf der Berliner Straße (auf der Straße vor dem Göttinger Bahnhof) gemeinsam deutlich machen, dass unsere Antwort Solidarität heißt!

Dem rechten Aufruf “Göttingen, wir sind wieder da!” wollen wir als Göttinger Zivilgesellschaft und als organisiertes bürgerliches Bündnis aus politischen Gruppen, Gewerkschaften, Parteien und engagierten Bürger*innen entgegenstehen und rufen die Zivilgesellschaft sowie die Kirchen und andere Glaubensgemeinschaften zur Teilnahme auf.

Lasst uns gemeinsam zeigen: Wir überlassen den rechten Schwurblern nicht die Straße!

Recherche zum “Herbsterwachen” am 16. September

Am 16.9. treffen sich in Göttingen Verschwörungsideologinnen, sog. Querdenkerinnen und Reichsbürger*innen aus ganz Deutschland erneut zu einer Kundgebung und Demonstration.

Die Veranstaltung wird erneut als Veranstaltung “für mehr Menschlichkeit” und in Anlehnung an die letzte Veranstaltung als „Herbsterwachen“ angekündigt". Der Fokus soll am 16.9. nicht mehr hauptsächlich auf dem Ukraine-Krieg liegen. Neben Frieden geht es um einen bunten Strauß diverser Themen die zur Teilnahme an der Demo mobilisieren sollen. Eine klare Linie ist nicht zu erkennen - Hauptsache Protest.

Aber diese vermeintlichen friedlichen Kämpfer sind Wölfe im Schafspelz. Denn ihre Positionen sind alles Andere als friedliebend und demokratisch: Sie sind neonationalistisch, populistisch und demokratiefeindlich.

Unter dem Motto “Deutschland trifft sich in der Mitte” rufen die Veranstalter*innen bundesweit zur Demo am 16.9. in Göttingen auf. Sie nutzen ein breites Spektrum an Gruppen und Social-Media-Kanälen.

Die Veranstalter*innen haben vor allem die Grünen als Feind ihrer eigenen recht schwammigen Agenda ausgemacht. So klagen sie an, die (grüne) Politik würde “Krieg gegen das Volk” führen. Weitere “Anklagen” der Organisatoren stehen in bekanntem Reichsbürger- und Querdenkerzusammenhang wie: “gegen den Pandemievertrag”, für den Bargelderhalt, für die Aufarbeitung der Corona-Maßnahmen".

Doch nicht nur die Inhalte zeigen ihre Nähe zur AfD, auch Äußerungen und Sticker, die nicht moderiert werden, wie “Deutschland zuerst” bestätigen diese Nähe.

Neu dazugekommen sind auch Haltungen gegen Queere Menschen - manifestiert zum Beispiel in der Hetze gegen queere Ampelfiguren in Göttingen.

Dies passt ins antidemokratische Bild, das Andersdenkende verächtlich machen soll. Wir stellen den Zusammenhalt aller demokratischen Kräfte dagegen. Toleranz und Vielfalt statt braune Soße und neonationalistische Parolen!

Für 12:30 Uhr ist eine Kundgebung auf dem Bahnhofsvorplatz angekündigt, ab 14 Uhr soll es einen langen Demonstrationsaufzug durch die Innenstadt geben. Von uns als breitem zivilgesellschaftlichen Bündnis gegen Rechts wird es eine Gegendemo geben.

Wir sehen die erneute Anmeldung einer Veranstaltung in Göttingen als eine beleidigte Reaktion auf den Misserfolg der Querdenkerinnen im April (Siehe Rückblick “Frühlingserwachen”) . In den Aufrufen für das Herbsterwachen finden sich diverse Anspielungen auf Göttingen als “links-grüne Hochburg”, die “sensibilisiert” und “aufgeweckt” werden müsse. Hier werden die Aktivistinnen ganz im rechten Jargon als “Antifa-Terroristen” bezeichnet. Slogans wie “Wir sind wieder da. Göttingen 2.0” und “Wir freuen uns auf euch” neben dem Symbol einer Antifa-Fahne kommunizieren nicht an mögliche Teilnehmer*innen, sondern direkt an den Gegenprotest. Dies kann als subtile Drohung verstanden werden.

Aber wir lassen uns nicht einschüchtern! Zeigen wir am 16.9., dass Göttingen längst “aufgewacht” ist und sich dem infantilen Gehabe der rechten Protestunternehmer*innen entgegenstellt.

Ein Beispiel ist ein rhetorische Frage-Antwort Spiel. Auf die Frage “Was klagst du an” listet der Aufruf verschiedene Emojis von jüngeren und älteren Menschen auf, die die Forderungen des Protests als Ich-Botschaften “antworten”. Die (durchgehend weißen) Gesichter sollen zeigen “egal für oder gegen was du bist, in unserer Protestfamilie bist du willkommen”. Sie täuschen das Bild einer breiten, altersübergreifenden Unterstützung der Demonstration

Mit Sprüchen wie “Sei auch DU ein Teil von WIR” appelliert der Aufruf zudem an einen Wunsch nach Gemeinschaft, der durch die Teilnahme an der Veranstaltung hergestellt werden. Dieses Gefühl scheint wichtiger zu sein, als ein klares politisches Profil.

Am 16. September findet in Göttingen nicht einfach eine Friedensdemonstration statt. Die Organisatorinnen mobilisieren bewusst im Querdenkerinnen und Reichsbürger*innen Spektrum. Die Veranstaltung wird auf Querdenken-Demonstrationen und in Gruppen beworben, in denen auch andere rechte, verschwörungsideologische Inhalte verbreitet werden. Ebenso finden sich in diesen Chats russische Kriegspropaganda und antisemitische Äußerungen. Hier sind organisierte Rechte am Werk, deren Ziel es ist, Demokratien zu schwächen. Deshalb ist es wichtig, dass wir als Zivilgesellschaft ein starkes Zeichen dagegen setzen!

Unter den Organisator*innen der Veranstaltung befindet sich der ehemalige Rechtsanwalt Michael S. Er ist ein bekannter Kopf der Querdenken-Szene in NRW und häufiger Anmelder von Autocorsos und Demonstrationen in NRW und Hessen. Mitgewirkt hat S. auch an einer „Wanderausstellung der Impf-Opfer“, in deren Rahmen verschwörungsideologische Narrative verbreitet und die Shoah verharmlost werden.

Michael S. ist vorbestraft (Beleidigung, üble Nachrede) und gewaltbereit. So beteiligte er sich an gewaltsamen Ausschreitungen von Coronamaßnahmen-Protesten in Brüssel am 23.1.2022 (Dokumentiert bei Twitter @schwurbelwatch). Auf seinem Telegram Kanal fantasiert S. über die gewaltsame Tötung Angela Merkels und über Bombenanschläge auf Regierungsgebäude (Dokumentiert bei Twitter @schwarzepalmen).

Bericht auf T-Online über Festnahme von S. auf gewaltvoller Kasseler Querdenken Demo: Friedliche Meinungsäußerung ist nicht das Ziel

Neben dem deutlich zu Tage tretenden rechten Hintergrund der Organisator*innen zeigt ein Blick auf die Aufrufe der Veranstaltung, mit wem wir es wieder zu tun bekommen werden. Der Aufruf zur Veranstaltung in Göttingen bleibt in vielen Bereichen vage. Er knüpft jedoch an verschiedene rechte Narrative und Verschwörungserzählungen an. Der angeblich friedenspolitische Aspekt der Veranstaltung wird um verschiedene Forderungen ergänzt, die nur einen wagen inhaltlichen Zusammenhang aufweisen. Die Themen scheinen austauschbar. Der Protest selbst gegen die Etablierten steht im Mittelpunkt. Ideologien verschwimmen, links und rechts sollen keine Rolle spielen - Hochgefährlich für die Demokratie.

Für Frieden - Diese Forderung ist ein gemeinsames Interesse. Die Organisatorinnen lassen jedoch außen vor, von wem, wie und unter welchen Umständen Frieden herbeizuführen sei. In dieser Form hat die Forderung eine hohe Anschlussfähigkeit. Wer möchte keinen Frieden? So öffnet der Aufruf das Feld der weiteren Forderungen für friedensbewegte Leserinnen. In der letzten Mobilisierung zum “Frühlingserwachen” war es die Forderung nach Friedensverhandlungen, die neben dem Slogan „Ich bin nicht im Krieg mit Russland“ stand. Dieser Slogan wird in der rechten Szene gefeiert. Verschiedene Produkte mit diesem Slogan werden neben klassischen Slogans der historischen Friedensbewegung bedruckt in rechten Online-Shops angeboten.

Die Forderung nach einem Erhalt des Bargelds ist oft aus dem AfD (nahen) Umfeld zu vernehmen und wird nicht selten mit antisemitischen Narrativen begleitet. Sie ist zudem eine der drei Kernforderungen des rechten Netzwerks “Deutschland steht auf”. In dem vernetzen sich diverse Einzelinitiativen der sogenannten “Freiheitsbewegung”. Das Netzwerk zeigt an vielen Stellen Offenheit gegenüber Reichsbürger*innen und Rechtsradikalen.

Ein Baustein in der Mobilisierung im April ist in diesem Aufruf nicht mehr enthalten. Die Forderung nach “Politikerhaftung” meint, dass Politiker*innen persönlich für Entscheidungen haftbar gemacht werden sollen. Auch dies ist eine Kernforderung von “Deutschland steht auf”. Im Fahrwasser dieser Forderung werden in diversen Telegram-Kanälen nicht selten Forderungen von Militärgerichten und Lynchjustiz geäußert. Nicht zuletzt in den Äußerungen des Organisators Michael S. wird dies deutlich. Auf seinen Autokorsos fantasiert er per Lautsprecher über die “Hinrichtung Angela Merkels” (Dokumentiert bei Twitter @schwarzepalmen).

Oft wird die Forderung zudem im Kontext von Verschwörungserzählungen des “Great Reset” genutzt, die auch der Organisator Michael S. bedient. Dieser Code verweist auf den verschwörungsideologischen Mythos einer “globalen jüdischen Elite”. Ziel dieser “Elite” sei die Erschaffung einer überstaatlichen Weltregierung. Laut diesem Verschwörungsmythos gäbe es eine “natürliche Verbindung” zwischen Jüdinnen und Juden und Finanzen, oft dargestellt durch das Weltwirtschaftsforum. Diese antisemitische Erzählung zieht sich durch viele Verschwörungserzählungen und durch viele rechte Blogs, die zum “Widerstand” aufrufen. Verbreitet werden solche Erzählungen z.B. über Blogs wie “die Achse des Guten” oder die Publikation der NPD, die “Deutsche Stimme”. Beiträge des Blogs “die Achse des Guten” werden regelmäßig von der als islamfeindlich und rechtsradikal eingestufte Seite PI News übernommen. Außerdem bekommen sie Beifall von Autor*innen des rechtsradikalen Compact Magazin des Verschwörungstheoretikers und „Querfront“-Strategen Jürgen Elsässer.

Angesprochen auf ihre Offenheit nach Rechts nutzen Querdenkerinnen und andere Verschwörungsideologinnen nicht selten den Vorwurf einer “konstruierten Kontaktschuld”. Durch herbeikonstruierte Zusammenhänge wolle man die Szene delegitimieren und kriminalisieren. Dies ist eine bewusst täuschende Schutz- und Abwehrstrategie.

Mehr Informationen beim Veranstalter  

Das Göttinger Bündnis gegen Rechts