Umfangreiche Verbesserungen für den Radverkehr in Göttingen sind notwendig

Klimaschutz-Beirat stellt Antrag im Umweltausschuss

Geposted von " Klimaschutz-Beirat " am Tuesday, April 5, 2022

Inhalt

Die AG Mobilität des Klimaschutz-Beirates hat sich in 5 Sitzungen im zurückliegenden halben Jahr intensiv mit dem Thema Fahrradverkehr auseinandergesetzt und dazu auch Gespräche mit der Verwaltung geführt. Das Ergebnis ist ein umfangreicher Forderungskatalog, den der Klimaschutz-Beirat nach ausführlichen Beratungen im Juni 2022 beschlossen hat. Nun stellt der Vertreter des Klimaschutz-Beirates im Umweltausschuss am 30.8. einen Antrag, um die Verwaltung zu beauftragen, die vorgeschlagenen Verbesserungen in die Praxis umzusetzen.

Der Antragstext

der auf dem umfangreichen Beschluss des Klimaschutz-Beirates basiert, hat folgenden Wortlaut:

Betrifft: Verbesserungen für den Fahrradverkehr in Göttingen

Der Rat möge beschließen:

  1. Umsetzung des Radverkehr-Entwicklungsplans
    1. Der Radverkehrsentwicklungsplan ist die Grundlage für das Handeln der Verwaltung. Er muss ständig und nicht nur alle 5 Jahre aktualisiert werden, z.B. bei Einrichtung neuer Baugebiete oder besonderer Förderausschreibungen. Er muss jedoch deutlich schneller umgesetzt werden.
    2. Dafür soll eine weitere Personalstelle geschaffen und weitere Haushaltsmittel im kommenden Haushalt bereitgestellt werden.
    3. Die Praxis der Beantragung von Fördermitteln des Bundes/Landes soll fortgesetzt und ausgeweitet werden.
  2. Neuaufteilung des Straßenraums zugunsten von Fahrrad, Fußgängern und Bus
    1. Die derzeit bestehende Aufteilung des Straßenraums zugunsten des motorisierten Individualverkehrs muss zugunsten von Fußgängern, Fahrrädern und Bussen geändert werden. Dazu soll noch in diesem Jahr beispielhaft die Planung der Umgestaltung einer Hauptverkehrsstraße im Rahmen eines Zukunftsforums mit den BürgerInnen erarbeitet und für den Umbau im nächsten Jahr Haushaltsmittel in den nächsten Haushalt eingestellt werden.
    2. In zeitlich befristeten Mobilitäts-Großversuchen von neuen Straßenraumaufteilungen sollen z.B. zeitweise Busspuren, Einbahnstraßen oder breite Fahrradspuren eingerichtet werden. Dazu sind Planungen vorzulegen und die rechtlichen Rahmenbedingungen zu klären.
    3. Die Verwaltung soll Vorschläge für die Einrichtung weiterer Fahrradstraßen mit Zulassung von Anliegerverkehr unterbreiten.
  3. Mobilitäts-App: Die geplante App für den Parksuchverkehr soll von Anfang zur Mobilitäts-App für alle Verkehre (ÖPNV, Fahrrad, MIV und deren Kombinationen) erweitert werden und Hinweise auf Zeitbedarf, Kosten und Energieverbrauch beinhalten.
  4. Radverkehrsfluss: Der Radverkehrsfluss soll bei allen Planungen die gleiche Bedeutung wie dem Autoverkehrsfluss beigemessen werden. Dies ist bei allen Umbau-und Neuplanungen von Verkehrswegen und allen Baustellenplanungen zu berücksichtigen.
  5. Bessere Infrastruktur für Fahrradnutzung: Die Einrichtung neuer Fahrradabstellplätze u.a. durch Umwidmung von Autoparkplätzen soll beschleunigt und dafür Vorschläge von der Verwaltung unterbreitet werden. In Neubaugebieten müssen Fahrradabstellplätze an und in Gebäuden von vornherein eingeplant werden; dies muss den Investoren z.B. in städtebaulichen Verträgen auferlegt werden.
  6. Mehr Öffentlichkeitsarbeit, Information, Schulung
    1. An Schulen soll für die Fahrradnutzung geworben werden und Schulungen durchgeführt werden. Reparatur- oder Werkstatt-AGs sollen angeregt werden.
    2. Eine bessere Bekanntmachung des Regelwerks für Fahrradwege und –Spuren ist nötig, da dieses den meisten Rad- und Autofahrern nicht bekannt ist (Radwegepflicht, Rechte in Fahrradstraßen, Radfahrstreifen, Überholabstand etc.) Die Verwaltung soll dafür ein Konzept (Banner, Plakate, Flyer) dafür vorlegen.
    3. Die Einhaltung des Regelwerkes ist ordnungstechnisch durchzusetzen.
  7. Mehr Informationen für Rat und Verwaltung: Zur Unterrichtung des Rates und der Verwaltung über Möglichkeiten der Radverkehrsoptimierung sollen StädtevertreterInnen, die gute Beispiele berichten können (z.B. Münster, Utrecht, Houten, Kopenhagen) eingeladen werden oder Reisen in andere Städte zum Kennenlernen von Vorbildlösungen durchgeführt werden.

Begründung zum Ratsantrag:

Um im Interesse des Klimaschutzes eine Mobilitätswende erreichen zu können, ist neben dem Ausbau und der Verbesserung des ÖPNV eine Stärkung des Radverkehrs nötig. Dazu müssen die Verkehrsflächen zugunsten von Fuß- und Radverkehr sowie dem ÖPNV umgewidmet und der Verkehrsfluss für Radverkehr und ÖPNV verbessert werden.

Eine schnellere Umsetzung des Radverkehrsentwicklungsplans, für die mehr Personal und Haushaltsmittel nötig sind, ist daher ebenso von Nöten wie eine Verbesserung der Infrastruktur für den Radverkehr und Modellversuche zur Neuaufteilung des Straßenraums.

Auch Öffentlichkeitsarbeit mit Aktionen zugunsten des Radverkehrs insbesondere an Schulen sowie eine Aufklärung der Bevölkerung über die Rechte und Pflichten im Miteinander der Verkehrsarten ist wichtig. Schließlich sollten sich Politik und Verwaltung von den vielen guten Beispielen anderer fahrradfreundlicher Städte anregen lassen und diese wo möglich übernehmen.

Begründung für den Antrag im Umweltausschuss:

Der Klimaschutz-Beirat hat sich nach der Beschäftigung mit dem ÖPNV nun über mehrere Monate in seiner AG Mobilität und danach im gesamten Beirat mit dem Thema Radverkehr in Göttingen beschäftigt. Er hat ein Papier zur Radverkehrsverbesserung und –Förderung beschlossen und der Öffentlichkeit vorgestellt (siehe Anhang).

Die Kernpunkte dieses Papiers sind in diesem Antrag als Auftrag an die Verwaltung zusammengefasst und dort auch mit Detailvorschlägen insbesondere zu den Punkten 3 bis 5 untermauert und sollten vom Umweltausschuss und Rat beschlossen werden.

Anhang:

Forderungen des Klimaschutz-Beirates zur Verbesserung des Fahrradverkehrs in Göttingen (beschlossen am 12.5.22)

Die AG Mobilität des Klimaschutz-Beirates hat sich in 5 Sitzungen im zurückliegenden halben Jahr intensiv mit dem Thema Fahrradverkehr auseinandergesetzt und dazu auch Gespräche mit der Verwaltung geführt. Das Ergebnis ist ein umfangreicher Forderungskatalog, den der Klimaschutz-Beirat nach ausführlichen Beratungen im Juni 2022 beschlossen hat.

Die Grundlage der Stadtverwaltung für den Ausbau und die Verbesserung des Radverkehrs ist der Radverkehrsentwicklungsplan. Der Klimaschutz-Beirat sieht diesen Plan als gute Grundlage für das weitere Handeln an.

  • Er muss jedoch auch zwischen den 5-jährigen Aktualisierungen ständig ergänzt werden, z.B. bei Einrichtung neuer Baugebiete oder besonderer Förderausschreibungen.
  • Außerdem muss er deutlich schneller umgesetzt werden (bei derzeit 2 Mio. Euro /Jahr dauert die Umsetzung 50 Jahre!); dafür muss auch mehr Personal eingestellt werden.
  • Schnell umsetzbare und kostengünstige Maßnahmen sollten identifiziert und vorgezogen werden.
  • Die Praxis der Beantragung von Fördermitteln des Bundes/Landes soll fortgesetzt und ausgeweitet werden.

Derzeit ist der Straßenraum vor allem zugunsten des motorisierten Individualverkehrs aufgeteilt. Diese Aufteilung muss sich grundlegend zugunsten von Fahrrädern, Fußgängern und Bussen ändern! Dazu ist auch eine generelle Verkehrsberuhigung nötig, die auch der Sicherheit aller Verkehrsteilnehmer dient und schmalere Straßen und Spuren erlaubt.

  • Modellstraße: Noch in diesem Jahr soll mit der entsprechenden beispielhaften Umgestaltung einer Hauptverkehrsstraße begonnen werden.
  • mehr und bessere Fahrradwege und –Straßen: Es müssen neue Fahrradstraßen zu Lasten von Autostraßen und –Spuren eingerichtet werden. Die Fahrradwege müssen breiter entsprechend der Richtlinien gebaut werden. Die Gehwegbreite muss 2 m betragen für radfahrende Kinder (sowie Rollstuhlfahrer, Kinderwagen, etc.), Es muss eine bessere Radanbindung auch in den Landkreis geben; dazu ist eine bessere Zusammenarbeit mit der Kreisverwaltung nötig
  • Verkehrsberuhigung: Tempo 30 muss flächendeckend eingeführt werden. In der Innenstadt innerhalb des Walls soll Tempo 20 gelten. In reinen Wohngebieten sollen mehr Spielstraßen (verkehrsberuhigter Bereich) eingerichtet werden.
  • mehr Mobilitäts-Großversuche zum Testen von neuen Straßenraumaufteilungen: In zeitlich befristeten Großversuchen sollen z.B. zeitweise Busspuren, Einbahnstraßen oder breite Fahrradspuren eingerichtet werden

Dem Radverkehrsfluss wird nicht die gleiche Bedeutung beigemessen wie dem Autoverkehrsfluss; das muss sich dringend ändern!

  • Wegeführung: An Baustellen muss die Wegeführung für Radfahrer verbessert werden. Der grüne Pfeil für Fahrräder (Rechtsabbiegen bei Rotlicht) muss wo möglich eingeführt werden. Die Nutzung von Einbahnstraßen in Gegenrichtung für Fahrradfahrer muss ausgeweitet werden. In Kreisverkehren muss die Radwegeführung sinnvoll geplant und umgesetzt werden. Auch auf Fahrbahnen muss die Radwegeführung verbessert werden. Das Einfädeln von Schutz- und Radfahrstreifen vor Einengungen muss durch rote Farbmarkierung und breitere Gestaltung verbessert werden.
  • Freihalten vorhandener Rad- Und Fußwege: Die Radwegeführung muss hindernisfrei sein. Es darf keine Baustellenbeschilderung, kein Abstellen von E-Rollern, kein Autoparken, keine Gastronomie oder keine Geschäftsauslagen auf Rad-und Fußwegen geben. Zuwiderhandeln muss geahndet werden.
  • Zweirichtungsradwege: Zweirichtungsradwege sollen nur eingerichtet werden, wenn 2 getrennte Spuren möglich sind
  • Kreuzungen (Knotenpunkte): An Kreuzungen muss es Aufstellbereiche für Fahrräder vor den Autos geben. Für linksabbiegende Radfahrende muss es Lichtsignalanlagen geben. Sog. Bettelampeln (Bedarfsampeln) müssen abgeschafft werden.
  • Umlaufsperren: An Stellen mit Umlaufsperren muss eine gute Sichtbarkeit gegeben sein und ausreichend Platz für Lastenräder, Anhänger usw.
  • Sichtverbindungen: An unübersichtlichen Stellen müssen Sichtverbindungen gewährleistet sein, z.B. neben Gartenhecken, Werbetafeln, Stromkästen usw.

Um die Fahrradnutzung voranzubringen braucht es eine bessere Infrastruktur. So benötigen auch Fahrräder geeignete Stellplätze oder gute Wegedecken und auch Reparaturmöglichkeiten.

  • Stellplätze: Es sind mehr sichere und wettergeschützte Fahrradabstellplätze und Parkhäuser nötig. In Neubaugebieten müssen sie von vornherein eingeplant werden; dies muss den Investoren z.B. in städtebaulichen Verträgen auferlegt werden. Weiterhin müssen mehr Fahrradstellplätze durch Umwidmung von Autoparkplätzen geschaffen werden. Bei der Gestaltung der Abstellplätze muss der Diebstahlschutz verbessert werden durch Anschließmöglichkeiten oder Fahrradkabinen. An zentralen Bushaltestellen muss es auch Fahrradabstellplätze geben.
  • Radwege-Oberflächen: Die Radwege-Oberflächen müssen fahrradgerecht sein. Der Winterdienst muss ausgeweitet und neu geregelt werden.
  • Mobilitäts-App: Die geplante Mobilitäts-App muss von Anfang an auch mit Radverkehrsempfehlungen, Zeit- und Kostenanalysen, Hinweise zum menschlichen Energieverbrauch (Gesundheitsförderung) ausgestattet sein.
  • Ausleihmöglichkeiten: Es muss mehr Ausleihstationen für Lastenräder geben. Auch ein Bikesharing wäre sinnvoll.
  • Reparaturstationen:

In jedem Quartier muss es Reparaturstationen geben

Für vermehrte Fahrradnutzung muss geworben werden. Aber auch Schulungen sind nötig, um die Verkehrssicherheit zu erhöhen. Folgende Kampagnen und Maßnahmen sind sinnvoll:

• Allgemeine öffentliche Kampagnen pro Radnutzung

  • Kampagne für Diebstahlschutz
  • Kampagne für sichere Schulwege
  • Fahrradschule (z.B. ADFC-Schule an der BBS2)
  • Bekanntmachung des Regelwerks: Eine bessere Bekanntmachung des Regelwerks für Fahrradwege und –Spuren ist nötig, da dies den meisten Rad- und Autofahrern nicht bekannt ist (Radwegepflicht, Rechte in Fahrradstraßen, Radfahrstreifen etc.)
  • Vorträge, Informationsreisen:

Eine Einladung von StädtevertreterInnen, die gute Beispiele berichten können (z.B. Münster, Utrecht, Houten, Kopenhagen), wäre für Politik und Verwaltung gut. Es könnten aber auch Reisen in andere Städte zu Kennenlernen von Vorbildlösungen durchgeführt werden.