Greenwashing im Göttinger Klimabudget 2022

Redebeitrag von GöttingenZero auf der Kundgebung am 18.2.2022

Geposted von " GöttingenZero " am Wednesday, November 10, 2021

Am 17.12.2021 hat der Rat der Stadt Göttingen beschlossen, dass die Klimaneutralität Göttingens bis 2030 mit großer Vordringlichkeit als Ziel gesetzt wird.

Wir hatten erwartet, dass der Rat der Stadt Göttingen heute, am 18. Februar 2022, darüber entscheidet, ob das von GöttingenZero initiierte und von 50 unterschiedlichen Gruppierungen in der Stadt Göttingen unterstützte Bürgerbegehren „Göttingen klimaneutral bis 2030“ als Aufforderung an den Rat und die Verwaltung der Stadt Göttingen bereits im Ratsbeschluss im Dezember 2021 seine Würdigung als Bürgerwille gefunden hat. Doch das Thema ist nicht auf der Tagesordnung.

Also, auch wenn die Stadt es bis jetzt IMMER NOCH NICHT geschafft hat, die 9600 Unterschriften, die wir im vergangenen Jahr gesammelt haben und im Juni 2020 dem Stadtrat übergeben haben, zu verifizieren, ist eines klar: Das Ziel der Klimaneutralität der Stadt Göttingen ist jetzt 2030. Das gibt Anlass zur Hoffnung, auch wenn dieses Ziel ausgesprochen ambitioniert ist und nur mit vereinten Kräften erreicht werden kann.

Um dieses Ziel zu erreichen, müssen auch wir Bürger*innen der Stadt in die Vorbereitungen, Gedanken und Entscheidungen der Verwaltung und des Rates miteinbezogen werden, ganz klar. Denn letztlich haben wir als Bevölkerung den Rat dazu beauftragt, ihre Aufgaben wahrzunehmen und dabei im Sinne aller zu handeln.

sehen wir allerdings deutlich, dass der finanzielle Spielraum der Ratsmenschen ausgesprochen gering ist. Lediglich eine Summe von circa 40 Millionen € stehen überhaupt zur Disposition, die für Investitionen der Stadt Göttingen eingesetzt werden kann, die über die durch Gesetze vorgegeben Versorgungsaufgaben der Stadt hinausgehen.

Von diesen 40 Millionen Euro ist eine Summe von etwas mehr als 13 Millionen Euro - plakativ und recht allgemein - für den Sektor Klimaschutz Göttingen als sogenanntes Klimabudget angedacht.
Bei näherer Betrachtung fällt auf, dass höchstens die Hälfte dieser Mittel überhaupt in einem irgendwie gearteten Zusammenhang mit Klimaschutz stehen. CO2-emissionsreduzierende Maßnahmen lassen sich hier nicht erkennen.

Im Gegenteil: Herr Kimyon als Fachdiensteiter der Öffentlichkeitsarbeit der Stadtverwaltung: erläutert heute im Göttinger Tageblatt: Zitat: „die im Klimabudget der Stadt Göttingen enthaltenen Klimamassnahmen bieten einen Überblick, zugleich sieht man welche Massnahmen aus dem Haushaltplan Klimarelevanz haben und welche nicht.

Wenn der Rat der Stadt Göttingen einstimmig beschlossen hat, daß Göttingen bis 2030 klimaneutral werden soll, dann haben nur Massnahmen eine Relevanz, wo die CO2 Emissionsreduktion erfasst und kommuniziert wird. Alle anderen Ansätze können grundsätzlich sinnvolle Massnahmen sein, haben aber gar nichts mit Klimaschutz und CO2 Emissionsreduktion zu tun. Eine Ebnung des Weges in die Klimaneutralität ( wie Sie dies beschreiben) ist so nicht erkennbar!

2022-02-18-Greenwashing_Demo

Eine Wunschliste von Massnahmen aufzustellen ohne Festsetzung eines Zeitplans, einer Kostenanalyse und eine detaillierte Beschreibung des Klimaschutznutzens stellt aus unserer Sicht eine ungenügende Auseinandersetzung mit der Thematik dar. Vielleicht noch eine Bemerkung zu der Adressierung von Herrn Kimyon an Göttingen Zero heute im GT als “Lobbygruppe”:

Wir verfolgen ausdrücklich keine privaten und finanzgetriebenen Interessen sondern wir verstehen uns als einen Teil der Zivilgesellschaft, der Aufgaben übernimmt, die grundsätzlich eigentlich von der Stadt und dem Rat erledigt worden sollten.

Es kann in Zukunft aber nicht darum gehen Schuldzuweisungen des Nichthandelns zu artikulieren, sondern es geht um etwas ganz anderes:

Die Situation ist so vertrackt, weil die Stadt sich einerseits durch den intensiv gebildeten Willen der Göttinger*innen grundsätzlich davon hat überzeugen lassen, eine Klimaneutralität 2030 als Ziel festzusetzen.
Auf der anderen Seite sind der Stadt die Hände gebunden, weil die finanziellen Rahmenbedingungen eng abgesteckt sind.

Dann gibt es sowohl in der Verwaltung als auch im Rat immer noch Kräfte, die sich zitieren lassen mit „wir haben das zwar jetzt beschlossen, müssen aber jetzt ja nicht gleich damit anfangen“. Es ist offenkundig, dass die Dimension und die Ernsthaftigkeit der Klimakrise und der zukünftigen Lebenssituation in unserer Stadt dort tatsächlich noch nicht erfasst und gefühlt worden ist.

Um das Ganze nochmal in einen Kontext zu setzen: es geht nicht nur um den Schutz des Klimas, der Umwelt oder der Natur, sondern um den Schutz unserer Kinder und Kindeskinder, um den Schutz von uns selbst und allem fühlenden Leben auf diesem Planeten, auf dem wir alle gemeinsam sitzen. Es ist mir wichtig, das zu betonen, denn nicht nachhaltiges Handeln ist gleichzusetzen mit der Erzeugung von jeder Menge Leid, was wir vermeiden könnten, wenn wir nachhaltig handeln würden. Wir alle tragen also Verantwortung.

Die Begriffe Klimaschutz und Umweltschutz haben uns viel zu lange vorgegaukelt, dass wir, vor allem wir hier in diesem mitteleuropäischen Land, gar nicht so sehr selbst betroffen sind von dieser Krise. Das erklärt vielleicht auch das langsame Handeln im Göttinger Stadtrat. Erklärt es, aber rechtfertigt es nicht.

Grundsätzlich sind wir ja in der Lage auf Klimaveränderungsbedingte Naturereignisse zu reagieren. Wir stehen heute auf diesem Platz bei auftretenden Orkanböen: gestern hat ein als geringgradiger als heute eingeschätzter Sturm dazu geführt, daß zum Schutz von Menschenleben in mehreren Bundesländern die Schulen geschlossen wurden und der Bahnverkehr in großen Teilen Deutschlands sicherheitshalber ausgesetzt wurde… Menschen haben eine scheinbar mutige Entscheidung getroffen…( die im Übrigen auch Kosten verursacht hat)

Wir müssen auch hier mit einem Sprung mutig über die Grenzen dieses jetzigen Zustandes hinausgehen, und das jetzt und nicht erst irgendwann, denn dann wird es zu spät sein, dann werden Kipppunkte überschritten sein mit Auswirkungen, die nicht mehr rückgängig gemacht werden können. Und das Erreichen des neuen Klimaziels ist so ein wichtiger Sprung. Genau das müssen wir in weiteren Gesprächen den Ratsmenschen klarmachen.

Wir fordern die Stadt Göttingen also ganz direkt auf, sich umgehend mit allen involvierten Parteien - und dazu gehört auch die Zivilbevölkerung der Stadt - an einen Runden Tisch zu setzen, um gemeinsam auszuarbeiten, wie sich die Stadt erfolgreich am europäischen Förderprojekt 100 Städte klimaneutral bis 2030 beteiligen kann. Ein solcher “Runder Tisch” sollte nicht nur beraten, sondern insgesamt die Klimaschutzmaßnahmen in Göttingen koordinieren und ein Forum für den Austausch zu diesen Themen sein. In der Stadt des Wissens gibt es viele wissende Expertinnen und Experten auf die man nur zugehen müsste, um dringliche Fragestellungen zeitnah bearbeiten zu können.

Wir fordern die Stadt auch auf, dass, wenn finanzielle Ressourcen für Klimaschutz in Göttingen angedacht werden, mit angegeben werden muss, um wie viele Tonnen die CO2-Emission denn dadurch tatsächlich reduziert wird. Und natürlich, auch wenn es eigentlich klar sein sollte, dass das Klimaschutzbudget der Stadt nur für wirklich wirksame Maßnahmen, die uns dem Ziel der Klimaneutralität 2030 näher bringen, verwendet wird.

Weitere Informationen bei GöttingenZero